WG207 – Briefentwurf an Alma Mahler
Berlin, Dienstag, 26. September 1911
Wenn ich Dein Telegramm
recht verstehe, so willst \hast/ Du
Paris aufgegeben??
Wollen wir dann nicht
warten, bis Dir so zu
Mute ist? Ich weiß
nicht weshalb ich mich
scheue, aber ich habe
eine Scheu vor Wien.
Ich fühlte \würde/ mich dort
nicht frei \fühlen/ und das
täte mich [recte: mir] für Dich
leid. Es würde \glaube ich/ nicht
die ruhige \Zeit/ gemeinsa-
samen Erlebens, die
wir beide herbeisehnen.
Überlege das! \Versteh mich recht / Bist
Du \aber/ anderer Meinung
oder willst Du mich
nur sehen und sprechen
so komme ich \natürlich/ auch
nach Wien. Zeit habe
ich jetzt reichlich, wenn
nicht Unvorhergesehenes
dazwischen kommt.
Dein letzter Brief hin-
terließ ein schmerzliches
Gefühl: Du hast meine
Gegenwart gefürchtet
und doch \wärst Du nach B.[erlin] gekommen/ hätte ich mich
so betragen daß als
weilte unter
uns. Ich kann
über diese tiefsten
Auseinandersetzungen
nicht schreiben, aber
glaubst Du denn
nicht, daß ich im-
stande wäre, Dich
vor Dir selbst zu
schützen, wenn ich
die Notwendigkeit erst
\einmal/ erkannt habe?
Gestern Abend stand
ich ganz unter
Bann – vieles ist
mir nun \schon sehr/ ganz ver-
traut geworden.
Über die tiefsten Aus-
einandersetzungen \mit sich/ kann
man nicht schreiben.
Man steht ganz
arm und erschüttert
alles des anmaßenden
Prunkes entkleidet
steht die Seele vor
seiner keuschen Muse
brachte einiges
mit mehr Verve u
origineller zur Dar-
stellung, aber der gGesamte-
Eeindruck schien mir
doch unter U.[mständen] einheit-
licher. Die orchestralen
Mittel waren wol
auch glänzender, die
piani d. Geigen, d. Ein-
sätze d Chors, d. Wir-
kung d Soli gegen d
Chor \kamen brilliant z Ausdruck/. Es machte mir
Freude, daß das musi-
kalisch gebildete Ber-
liner Publikum im
Gegens unbeirrt durch
das arrogant - stereo-
type Ablehnen der
Kritik ein großes
Interesse zeigt.
Es war \Das/ Haus war auch
wieder ausverkauft.
Apparat
Überlieferung
, , , , , , , .
Quellenbeschreibung
4 Bl. (4 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
Antwort auf AM113 vom 24. September 1911 (Ich suche jetzt mit Macht [eine] Wohnung und wenn ich eine habe – dann musst Du kommen): Ich weiß nicht weshalb […], aber ich habe eine Scheu vor Wien. Beantwortet durch AM114 vom 29. September 1911 (Entweder Du kommst her zu mir oder wir gehen zusammen nach Paris – überleg’ es – aber – ich will Dich sehen): Wenn ich Dein Telegramm recht verstehe, so willst \hast/ Du Paris aufgegeben??
Datierung
Da sich WG in diesem Entwurf auf das -Konzert unter der Leitung von am 25. September 1911 in Berlin mit den Worten Gestern Abend stand ich ganz unter Gustavs Bann bezog, kann von einer Datierung auf den 26. September 1911 ausgegangen werden.
Themenkommentar
Übertragung/Mitarbeit
(Elisabeth Behnle)
Telegramm – wahrscheinlich nach AM112 vom 24. September 1911, nicht überliefert.
Dein letzter Brief – AM113 vom 24. September 1911.
Fried – , Dirigent und Komponist, führte am 25. September 1911 im Rahmen einer „Gedächtnisfeier“ für unter anderem dessen , die sogenannte Auferstehungssymphonie, und die mit dem Berliner Philharmonischen Orchester auf (, S. 44 sowie , S. 1225, Anm. 329).